Tag des offenen Denkmals 2020

– European Heritage Days –

Der europaweite Tag des offenen Denkmals wird jährlich am zweiten Sonntag im September begangen. In diesem Jahr finden, coronabedingt, keine größeren Veranstaltungen statt. Der Arbeitskreis Heimatgeschichte berichtet deshalb online über die örtliche Umsetzung des diesjährigen Leitmotivs:

„Chance Denkmal: Erinnern. Erhalten. Neu denken.“

Vor dem Hintergrund „75 Jahre ohne Krieg in Deutschland“ und der tragischen Ereignisse am Ostersonntag, 1. April 1945 in Rot und in St. Leon sind die Kriegergedenkstätten in beiden Ortsteilen und das alte Gasthaus zum Hirsch in Rot für diese Thematik geradezu prädestiniert.

Thema „Erinnern“:

Erinnern bedeutet: Denkmäler sind Mahnmale wider das Vergessen. Sie fordern dazu auf, über die Kriege, ihre Ursachen und Folgen nachzudenken

Die Gedenkstätten in St. Leon-Rot und das Gasthaus zum Hirsch in Rot, ihre Standorte und ihre Bedeutung früher und heute:

Das Kriegerdenkmal von 1870/71 auf dem Friedhof in St. Leon

Das Kriegerdenkmal des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 auf dem Friedhof in St. Leon.
Ein aus rotem Buntsandstein gefertigter Denkmalobelisk mit der Jahreszahl 1900 und dem Reichsadler auf der Spitze. Es stand früher links von der Kirche in der ehemaligen Hauptstraße, vor dem Textilhaus Heger. Das Denkmal war von einem Eisengitterzaun umgeben und wurde zu Ehren der 56 St. Leoner Kriegsteilnehmer aus Dankbarkeit errichtet. Ihre Namen sind auf den Seitenflächen des Obelisken eingemeißelt. Keiner von ihnen ist im Kriege gefallen. Sie sind laut Totenbuch der Kirchengemeinde St. Leo der Große alle eines natürlichen Todes gestorben. Am 10. Juni 1871 pflanzte Baumwart Götzmann – wie aus einer Archivalie des Ratschreibers Weis aus dem Jahre 1880 ersichtlich ist –  in  einem feierlichen Akt neben dem Haupteingang zur St. Leoner Kirche eine Friedenslinde. Neben Bürgermeister, Forstwart, Gemeinderäte, Pfarrer und Hauptlehrer waren alle am Frankreichfeldzug beteiligten Soldaten anwesend. Sie durften ein dankbares Hoch der Anwesenden entgegennehmen. Im Löwensaal wurde anschließend zünftig weitergefeiert.

Altes Kriegerdenkmal von 1870/71 an der Einmündung ehemalige Kronauer Straße – heute Erlengrund/ Hauptstraße

Das Kriegerdenkmal des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 in Rot stand, wie die meisten Mahnmale der drei letzten Kriege, in den Dörfern inmitten einer Wegegabelung oder an einer gut einsehbaren Stelle, um die Erinnerung wach zu halten. Es hatte seinen Platz, wo der Erlengrund in die Hauptstraße einmündet und wo sich heute der Verkehrskreisel beim Friseurstudio Geider befindet. Der wuchtige, obeliskartige, von einem Eisengitterzaun umfriedete Gedenkstein wurde im Zuge der Straßenverbreiterung nach dem Zweiten Weltkrieg entfernt. Namentafel und Gedenkstein sind nicht mehr vorhanden.

Marienkapelle in der Kirche St. Leo.

Die Kriegerdenkmäler des Ersten und Zweiten Weltkrieges in St. Leon.

Marienkapelle in der Pfarrkirche St. Leon ist auch gleichzeitig „Kriegerkapelle“. An ihren Seitenwänden befinden sich die Namentafel der 62 Gefallenen und Vermissten des Ersten und die Namen der 136 Kriegsteilnehmer des Zweiten Weltkrieges, die nicht mehr in ihre Heimat zurückgekehrt sind. Die Tafeln wurden von der alten Kirche übernommen. Dort waren sie an den Seitenwänden angebracht.

Soldatengrab auf dem Friedhof St. Leon
Ehrengrab auf dem Friedhof St. Leon

Das Soldaten- und das Ehrengrab in St. Leon.
In St. Leon wurden die Leichen der vier Soldaten und des Volkssturm-Mannes, die am Ostersonntagmorgen beim Maschinengewehrmassaker den Tod fanden, mit Zeltplanen bedeckt auf Rollen (Flachwagen) zum Friedhof gefahren. Pfarrer Sebastian Lorenz beerdigte sie im Soldatengrab. Sie waren wehrlos und befanden sich auf dem Weg in das Sammellager für Kriegsgefangene in der Roter Straße. Ihre Namen stehen auf dem Grabstein. Auf dem Grabstein rechts des Soldatengrabes findet man unter der Inschrift: „In treuer Pflichterfüllung fielen am 22. März 1945“ die Namen von sechs Betriebsangehörigen der BASF Ludwigshafen. Sie kamen auf der Autobahn bei einem Jaboangriff ums Leben und erhielten von der Gemeinde St. Leon ein Ehrengrab. 
Am Sonntag des Patrozinium-Festes zu Ehren des Hl. Leo der Große begibt sich die Gemeinde in St. Leon im November in einer Prozession zur Friedhofskapelle. Dort gedenkt man der Toten der Weltkriege und der Gewaltherrschaft. Eine Ansprache zu jeweiligen aktuellen Krisensituationen in der Welt und deren Behebungen ohne kriegerische Auseinandersetzungen bildet den Mittelpunkt der Feier, die von den örtlichen Vereinen musikalisch umrahmt wird. Die Feuerwehr stellt die Ehrenwache.

Gedenktafel am Massengrab auf dem Friedhof in Rot

Die Kriegerdenkmäler des Zweiten Weltkrieges und das Massengrab in Rot.
Der Zweite Weltkrieg endete in Rot am Ostersonntag, 1. April wie in St, Leon mit einem Inferno. 32 Menschen kamen beim deutschen Artillerieangriff auf das Dorf ums Leben. Die Toten mussten begraben werden. Aber wo? Man entschied sich für einen Bodenaushub rechts und links des Kriegerdenkmals von 1914-18 im Friedhof.

Das neue Kriegerdenkmal auf dem Friedhof in Rot

Die Kriegerdenkmäler des Ersten und Zweiten Weltkrieges in Rot.
Nach 1950 ließ die Gemeinde Rot am Denkmal eine Bodenplatte mit den Namen der Toten des 1. April anbringen und am unteren Ende des Steinkreuzes die Jahreszahlen 1939-45 einmeißeln, um an die 140 Gefallenen und Vermissten des Zweiten Weltkrieges zu erinnern. Damit hatte man ein vorläufiges  Kriegerdenkmal für die Gefallenen des Zweiten Weltkrieges, bis mit dem Bau der Friedhofskapelle 1969/70 ein neues Mahnmal für die Gefallenen und Vermissten  des Ersten und Zweiten Weltkrieges an der Wand des Kapellenvorhofs geschaffen wurde. 

Das Massengrab in Rot.
In Leinentüchern eingewickelt oder in Kisten, von Schreiner Wilhelm zusammengenagelt, brachte man die Toten des Angriffs auf Rollen (Flachwagen) vor die Kirche. Dort segnete sie der Pfarrer, bevor sie von ihm in den ausgehobenen Gruben rechts und links des 
Denkmals und teilweise in Einzelgräbern am 3., 4. und 5. April 1945 beigesetzt wurden. Die Beerdigungen waren von einem schmerzlichen und tränenreichen Abschiednehmen der Angehörigen begleitet, die nicht einmal wussten, in welchen Leichentüchern sich ihre Angehörigen befanden.                

Das Gasthaus zum Hirsch in Rot Anfang der 30er Jahre

Das Gasthaus zum Hirsch in Rot.
Das ehemalige Gasthaus zum Hirsch, in der Ortsmitte bei der Einmündung der Walldorfer Straße in die Hauptstraße gelegen, erhält seine ursprüngliche Fassade wieder zurück. Mit seinem Beschluss stellt der Gemeinderat nicht nur die ehemalige ortsprägende Wirkung, analog dem Alten Rathaus wieder her, sondern setzt auch ein Zeichen der Erinnerung „Wider das Vergessen“.
Eine Gedenktafel erinnert an den Tag des Schreckens am Ostersonntag, 1. April 1945, als das Lebensmitteldepot der Deutschen Wehrmacht im Hirschsaal zur Räumung freigegeben wurde, dort eine 21,5 cm Granate einschlug und 15 Menschen tötete. Die in Rot stationierte SS-Einheit hatte aus Rache, weil sich die Roter weigerten, den Ort zu verteidigen, einen Artillerieangriff auf das Dorf gestartet, bei dem insgesamt 32 Menschen den Tod finden. Das Kriegsverbrechen blieb ungesühnt.

Thema „Erhalten“:

Zum Thema „Erinnern“ gehört ebenfalls die „Erhaltung“ und auch die Pflege der Denkmäler und Gräber auf Plätzen und Friedhöfen durch die Gemeinde oder durch Auftragsvergabe an bestimmte Gruppen, Schulen, und dabei auch die junge Generation mit einbeziehen.

Thema „Neu Denken“:

Die Bedeutung der Denkmäler heute und die Botschaften, die von ihnen ausgehen.
Über 75 Jahre ohne Krieg ist ein einmaliger Vorgang in der Geschichte Deutschlands. Die katastrophalen Folgen der Weltkriege, der Holocaust und das Atombomben-Inferno in Nagasaki und Hiroshima sollten, wie unsere Kriegerdenkmäler und Volkstrauertage dazu mahnen, dass anstelle der Kriege die Diplomatie am Verhandlungstisch greifen muss, Kriegsherde zu beseitigen, denn ein Kriegstoter ist schon zu viel.

Die globalen Botschaften und Signale der Denkmäler von heute:                                                         

  • Sensibilisierung für den kulturellen Reichtum und die kulturelle Vielfalt Europas
  • Interesse am kulturellen Erbe Europas wecken
  • Rassismus und Fremdenfeindlichkeit entgegenwirken und die Toleranz gegenüber anderen Kulturen in ganz Europa fördern
  • der Öffentlichkeit und den politischen Entscheidungsträgern die Notwendigkeit bewusst machen, das kulturelle Erbe zu schützen 
  • Europa auffordern, auf soziale, politische und wirtschaftliche Herausforderungen des Kultursektors zu reagieren

Autoren: Kuno Schnader/Willi Steger