Der Kinzig-Murg-Fluss

(auch „Ostrhein“ oder „Vorrhein“ genannt)

In diesen verschwundenen Fluss mündeten bis zum Ende der letzten Eiszeit (ca. bis 10 000 Jahre vor heute) alle Fließgewässer zwischen der Kinzig bei Offenburg und dem Leimbach bei Wiesloch. Er floss seinerzeit entlang des Schwarzwalds und des Kraichgaus, also am östlichen Rand des Rheingrabens und parallel zum Rhein.
Das Bett des Kinzig-Murg-Flusses war nicht tief, aber zum Teil bis zwei Kilometer breit. Noch in römischer Zeit soll er teilweise schiffbar gewesen sein. Die germanischen Stämme wie z.B. die Alemannen nannten den Kinzig-Murg-Fluss auch „Anglach“.

Grafik aus:BofaWeb – Moore und Anmoore in der Oberrheinebene – LA BW

Die nördlichsten der Kinzig-Murg-Zuflüsse, nämlich Kraichbach und Leimbach verlaufen auch heute noch im alten Mündungsdelta. Die Hauptrinne des verschwundenen Flusses, der „Mingolsheimer Arm“ verlief zuletzt, noch heute gut erkennbar, nord-westlich von St. Leon- Rot , in zwei Teilarmen östlich und westlich von Reilingen sowie -wieder vereint- südlich von Hockenheim.

(Text teilweise entnommen aus: Horst Eichhorn, Hockenheim)

Franz Josef Mone (1796 – 1871) Archivar und Historiker aus Mingolsheim beschreibt in seiner „Geschichte des Badischen Landes, I. Band Karlsruhe 1826) den „Mingolsheimer Arm“ wie folgt: „ …er zieht bei Mingolsheim vom Gebirge ab, geht zwischen Roth und St. Leon durch und fließt auf Reilingen und mündet sich unter Hockenheim in den Mittelrhein. Das Bett besteht jetzo durchaus in Wiesen, oft in Brüchern, durch welche die Kraichbach künstlich geleitet ist. Bei Hockenheim vereinigt sich das Bett, wird unterhalb wieder breiter und schneidet in das Hochufer tief ein …“.

Was war die Folge der Verlandung des „Mingolsheimer Armes“?

Durch die geringere Strömung konnten die abgelagerten Kies- und Gesteinsmassen nicht mehr Richtung Rhein abgetragen werden und es entstanden dadurch größere Schwemmfächer und Stillgewässer. Es setzte sich wie oben erwähnt eine zunehmende Verlandung ein wo sich später ausgedehnte Moore entwickelten.

Moore, Anmoore und Torflager auf der Gemarkung St. Leon-Rot

Die fast gleichzeitig verlandeten Mäanderbögen bildeten aus dem ursprünglichen Flusslaufe, der eine Breite von 30-50 m besaß, Moore und Torfmächtigkeiten bis zu 270 cm. 

Info: hauptsächlich bildete sich Niedermoor in den alten Flussschleifen. Das hiesige Niedermoor ist ein oberflächenwassergenährtes Moor. Es entsteht in einem sauerstoffarmen, schlecht entwässerten Feuchtgebiet. Der sich später bildende Torf entsteht aus nicht abgebauten Pflanzenresten.

Auf der Gemarkung St. Leon-Rot finden sich laut Landesamt für Umweltschutz folgende wertvollen Moore und Torfe in Naturschutzgebieten.

  • Wehrebruch (im Ortsteil St. Leon)
  • Im Kirr (Ortsteil Rot)
  • Roter Bruch (Walldorfer Kreuz, Gemarkung St. Leon-Rot – Reilingen – Walldorf)
  • Kapellenbruch (mit Teilgebieten „Im Ried“ und „Bruchwald“ auf Roter Gemarkung)

Anmerkung: Das alte Gewann „Kirr“ in Rot – als ehemalige Flussschleife des „Mingolsheimer Armes“ ist heute teilweise durch Überbauung zerstört. Die Torfmächtigkeit betrug hier bis zu 40 cm.
Das ehemalige Moor- und Torfgebiet „Roter Bruch“ am Walldorfer Kreuz wurde durch den Bau der Bundesautobahn A 6 zerschnitten und das Naturschutzgebiet ist teilweise verlorengegangen. Die Torfmächtigkeit betrug hier bis zu 250 cm.

Früher wurde im östlichen Teil des „Roter Bruches“ von der Bevölkerung aus St. Leon-Rot Torf gestochen. Der Torf wurde getrocknet und als Brennmaterial verwendet.
Die offenen Torflöcher waren früher lange Zeit ein Refugium für seltene Pflanzenarten, wurden aber wieder durch Bodenmaterial aufgefüllt bzw. gingen durch spätere Entwässerungsmaßnahmen verloren.

Die Kultivierung der Kraichbachniederung in St. Leon-Rot

Da der Kraichbach nun durch seine Hochlage nicht mehr zur Entwässerung der Kinzig-Murg-Rinne beitrug, entstanden parallel Entwässerungsgräben. Diese Entwässerungsgräben wurden teilweise von den Römern angelegt. Für die spätere Kultivierung der Kraichbach bei St. Leon-Rot war seit dem späten 19. Jahrhundert die Kehr- und Landgrabengenossenschaft zuständig.
Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde durch den Reichsarbeitsdienst der Kraichbach für den Bau der Reichsautobahn komplett verlegt. Mehrere Abzugsgräben neu verlegt und zum Teil die Fließrichtung umgekehrt.

Hinweis:
In der Broschüre „ St. Leon-Rot und seine Gemarkung“ herausgegeben vom Arbeitskreis Heimatgeschichte bei der Gemeinde St. Leon-Rot 2013 findet der Leser noch detaillierte Berichte über das Grabensystem der Kraichbachniederung, Flurnamen, Funde und historische Wege unserer Gemeinde.


Autor: Willi Steger; Bildbearbeitung: Franz Stoll