Ferdinand Knoch – ein St. Leoner Welterforscher

Ferdinand Knoch um 1911

Ferdinand Knoch, geb am 18.05.1844 war Bauer und Holzschuhmacher von Beruf und Chronist in seinem Heimatdorf St. Leon. Da er sich nicht nur für die täglichen Geschehnisse seiner Heimat interessierte, sondern als leidenschaftlicher Heimatforscher auch nach den Hintergründen fragte, bekam er von seinen Mitbürgern den Namen „Dä Sandleener Welterforscher„. Zeit seines Lebens führte er peinlich genau Tagebuch. Immer und überall, auch im Feld machte er sich Notizen. Das in Kurzform auf ein Stück Papier geschriebene wurde am nächsten Sonntag zuhause fein säuberlich mit Tinte in seine Geschichtsbändchen übertragen

Er hinterließ zwölf handgeschriebene Bände:
1. Es ist wirklich ein gerechter Gott: eine alte Erinnerung
2. Die geheimnisvolle Frau (1885)
3. Fernegericht im 19. Jahrhundert
4. Der Brand in St. Leon, 1890, mit Geschichtlichem
5. Gegrüßet seist du Maria, aus der Bibel, 1880
6. Gottes Mühlen mahlen langsam, langsam, aber trefflich fein
7. Deutsche Kaiser, I. Band
8. Deutsche Kaiser, II. Band
9. Die Kreuzzüge 1096-1270
10. Die Gesetze der Speyer-Bruchsaler Fürstbischöfe des 18. Jahrhunderts, Schönborn, Hutten und Stirum
11. Kaiser Friedrich I. Barbarossa (1870)
12. Das Schloss Favorite bei Rastatt

Er hatte eine klare und ordentliche Schrift. Viel eher würde man an einen Kanzleischreiber des 19. Jahrhunderts denken als an einen Landwirt. Knoch verbrachte einen Teil seiner Jugendzeit von 1851-1856 mit seinen Eltern in Offenburg. Dort besuchte er fünf Jahre lang die städtische Volksschule, aber irgendeine höhere Schulbildung hatte er anscheinend nie genossen.

Dennoch oder gerade deshalb beschäftigte er sich als Erwachsener „nebenberuflich“ mit Heimatgeschichte. Er kaufte sich viele Bücher, las sie, interessierte sich für Vieles und begann später mit dem Schreiben eigener Werke. Eine verstorbene Enkelin des Chronisten erzählte, dass ihr Großvater fast jede freie Minute in seinem Studierzimmer verbrachte. Für seine Mitbürger war dies „eine brotlose Kunst“, eine Beschäftigung, die nichts einbrachte. Doch heute sollten wir ihm danken, dass er seine Freizeit für eine Ortschronik geopfert hatte. Manche interessante Begebenheit wäre sonst für immer in Vergessenheit geraten. Gerade die Not- und Leidenszeit seiner Gemeinde hat er so der Nachwelt erhalten. Dazu gehören der Schwedensonntag der 1630er Jahre, als die Schweden die Einwohner St. Leons niedermetzelten, sowie die ständigen Raub- und Plünderungszüge der Franzosen von Melac bis Napoleon, die der ganzen Gegend unsagbar viel Elend brachten.

Ausführlich befasste sich Ferdinand Knoch in einem seiner Bände mit einer Katastrophe in St. Leon, die vor 130 Jahren große Angst und Not brachte. Der erste Brand geschah am 5. August 1890, wobei die Scheunen der sechs folgenden Bürger abbrannten: Johann Götzmann, Ignaz Müller, Andreas Götzmann, Karl Fritz Klevenz, Karl Heger und Lorenz Brenzinger. Zuerst dachte man an Blitzeinschlag als Brandursache. Der nächste Brand geschah am 15. August 1890 (Mariä Himmelfahrt). Der Chronist selbst war in Wiesental und erfuhr von der heimkehrenden Kirrlacher Feuerwehr, dass es erneut in St. Leon gebrannt hatte. Diesmal war die Brandstätte in der Nähe der Mühle und vernichtete die Scheunen von Bürgermeister Stegmüller, Ferdinand Brecht und Johann Stegmüller. Doch schon am nächsten Tag, dem 16. August 1890, brannte die Scheune des Bäckers Adam Brecht. Am 17. August 1890, am Sonntag, wurden 7 Scheunen im Oberdorf durch Brand vernichtet. Die Scheunen lagen zwischen dem Gasthaus „Zur Krone“ und dem Gasthaus „Zum Lamm“. Betroffen waren diesmal: Kronenwirt Ernst Stegmüller, Wienerschmid Weis, Johann Bechberger, Peter Hofmann, Ferdinand Götzmann, Thomas Steger und Sebastian Müller. Bei dieser Katastrophe waren bis zu 12 Feuerwehrspritzen tätig. Die Feuerwehren von Rot, Wiesloch, Walldorf, Hockenheim, Reilingen, Kirrlach und Waghäusel kamen mit vereinten Kräften zu Hilfe. Die ganze Einwohnerschaft war verschreckt. Niemand im ganzen Dorf konnte noch ruhig schlafen. Frauen und Kinder saßen in Gruppen während der Nacht auf der Gasse. Gefüllte Zuber mit Wasser standen vor den Häusern und Höfen bereit. Man stellte verstärkte Wachen im Dorf auf und eine bewaffnete Patrouille durchsuchte den Wald. Nach dem letzten Brand vom 21. August 1890, bei dem nur eine Scheune von Ferdinand Weis ganz oben im Oberdorf brannte, wurde das Rätsel der Brandstiftung entdeckt. Es war ein 17-jähriger Bursche, der durch die Zeugenaussagen seiner eigenen Großmutter belastet wurde. Für diese Tat erhielt er eine Zuchthausstrafe von insgesamt neun Jahren. Über diese Brandkatastrophe urteilte Ferdinand Knoch wie folgt:

„Der größte Verdienst während dieser Schreckenszeit steht unstreitig dem damaligen Bürgermeister Leo Stegmüller zu. Die Bewohner von Rot verdienen von allen umliegenden Gemeinden unseren innigsten Dank für ihr Bemühen. Zahlreich waren sie jedes Mal erschienen und leisteten Hilfe, ohne gar große Ansprüche bei den hiesigen Wirten, sprich Gemeindekosten, zu machen.“

Zu seinem Tode, am 24.03.1925, erschien in der Philippsburger Zeitung folgender Nachruf: „Ein seltener Mann, ein echtes Hans-Jakobsches Dorforiginal ist hier mit Ferdinand Knoch im hohen Alter von 80 Jahren aus dem Leben geschieden.

Am liebsten durchwanderte unser Geschichtsverehrer Knoch die schönen Waldungen der früheren Fürstbischöfe, das bischöfliche Kammergut und die schöne Lußhardt. Die alten Fürsten mögen dann im Geiste noch seine stillen Weggenossen gewesen sein.“

Literatur:
Dr. Hans-Peter Post † in: Heimatbuch St. Leon-Rot – Damals und heute 2004
Bearbeitet: W. Steger Arbeitskreis Heimatgeschichte