Kurzgeschichte der Kramer-Mühle zu St.Leon
Die Geschichte der Kramer-Mühle ist auch eine römische Geschichte. So wurde der Kraichbach, wie auch der nahegelegene Leimbach beim Eintritt vom Kraichgau in die Rheinebene von den Römern im 2.und 3. Jahrhundert in hohen Dämmen angelegt und entlang römischer Punkte wie Kastelle oder villae rusticae zum Rhein geführt. Villae rusticae waren Gutshöfen/Landgüter der Römer in denen die römischen Veteranen mit ihren Familien aber auch romanisierte Teile der einheimischen Bevölkerung mit keltischen und germanischen Vorfahren wohnten und Landwirtschaft betrieben.
Im Ganzen gesehen brachte die Römerherrschaft viele Neuerungen und Fortschritte auch für die im sogenannten Dekumatenland. Die Römer importierten Ackerbaugeräte und führten auch Nutzpflanzen wie den Hanf ein, was in der Folge unserer Gegend den Namen „Hanfland“ einbrachte. Sie brachten auch die Wassermühlentechnik nach Germanien und damit vielleicht auch nach St. Leon-Rot.
Die Bischöfe von Speyer ließen im Mittelalter neue Mühlen bauen und verpachteten sie in zeitlichen Abständen an die Bewerber. Um das Einkommen des Müllers und auch des Grundherrn wie dem Bischof zu sichern gab es sogenannte Bannmühlen wie z.B. die St. Leoner Mühle. Hierher mussten die Bauern von Rot und St. Leon ihre Frucht zum Malen bringen. Mit zunehmender Verbreitung benutzten die Grundherren die Wassermühlen auch als sichere Einnahmequelle.
Die Mühle in St. Leon war unter anderem der bäuerlich zentrale Punkt im mittelalterlichen Ortskern von St. Leon. Ihre herausgehobene Bedeutung zeugt davon, dass die herrschaftliche Mühle im 18. Jahrhundert fünf Mahlgänge, einen Schäl- und Gerbgang, eine Hirsemühle, eine Ölmühle und eine Hanfreibe betrieb.
In diesem Zusammenhang steht auch unser über 500 Jahre alter Markt, der zu den Anfangszeiten Hanf- und Gespinselmarkt (gesponnenes) genannt wurde. Etliche Familien in St. Leon-Rot verarbeiteten den Hanf zu Seilen und Bekleidungstextilien und brachten es auf den hiesigen Markt.
Bei der Nennung des über 500 Jahre alten Marktes in St. Leon erinnert sich der kundige Leser hierbei gerne an das Kloster zum Hl. Leo von 853, (nachdem der Ort St. Leon seinen Namen hat). Die erste romanische Kirche von 1049, die wahrscheinlich von dem deutschen Papst Leo IX. eingeweiht wurde. Das Kloster der Reuerinnen von 1227/28 (heute Magdalenenkloster in Speyer). Dort finden wir auch Hinweise, dass das ehemalige „Kloster in den Gärten bei der Mühle“ stand. Weiter die ehemalige Wasserburg oder Mottenburg der Adligen von St. Leon aus dem 12./13. Jahrhundert in den Stegwiesen. Die großen Hofgüter, Rußheimer und Kuntzheimer Hof (die spätere Dorfallmend)., das erste Rathaus vor der Kirche von 1494, das Jägerhaus aus dem 18. Jahrhundert auf dem Mühlengelände, (später als Waisenunterkunft und auch als Ochsenstall genutzt) und nicht zuletzt an die ehemaligen römische Gutshöfe, die sogenannten villa rusticae am Klosterbuckel, im Schiff, in den Hesselwiesen und im St. Leon/Roter Bruch. Viele dieser Siedlungsreste sind noch versunkene Schätze in der Gemeinde St. Leon-Rot.
Die uns heute noch erhaltene Mühle als letztes Kulturgut und Erbbestandsmühle ist vermutlich weit vor 1500 vom Bischof von Speyer, als Landesherr im Hochstift Speyer neu erbaut und als Lehen an verschiedene Betreiber der Mühle für 6, 9 oder 12 Jahre verpachtet worden.
Verschiedene An- und Umbauten, sowie Neubauten z.B. der durch Brandstiftung 1782 abgebrannten Ölmühle und deren Wiederaufbau 1783 durch Johann Georg Kramer und auch der Neubau des Wohngebäudes im Jahr 1862 prägen das Anwesen bis heute.
Nach der Säkularisation 1803 ging die Mühle dann im Zuge der Zehnablöseverträge Anfang des 19. Jahrhunderts in das Eigentum der Familie Kramer über. Die Mühle wurde durch die Nachkommen bis zur Aufgabe des Mühlenbetriebes 1982 weitergeführt und das Inventar anschließend verkauft. Hubert Kramer war der letzte Müller auf der Mühle, er verstarb 1994.
Im Dezember 2015 erwarb die Gemeinde St. Leon-Rot das Mühlenareal von den Erben und Eigentümern. Auf dem Wiesengelände sollen Sozialwohnungen erstellt werden. Es bildete sich daraufhin eine Bürgerinitiative mit dem Ziel, die Bebauung zu verhindern und das gesamte Mühlenareal als Begegnungsstätte für die St. Leon-Roter Bevölkerung zu erhalten und auszubauen. 2016 gründete sich der „Freundeskreis Kramer-Mühle e.V.“ und initierte zu diesem Zwecke ein Bürgerbegehren mit anschließendem Bürgerentscheid.
Nach dem positiven Ausgang des Bürgerentscheides folgte durch die Gemeindeverwaltung ein Nutzungskonzept mit anschließender „Bürgerwerkstatt“ mit Beteiligung der gesamten Bevölkerung. Letztendlich wurde entschieden, das gesamte Mühlenareal zu erhalten und für eine Begegnungsstätte der Bevölkerung aus- und umzubauen.
Autor: Willi Steger