Denkmalgeschützte „Lourdesgrotte“ im Friedhof St. Leon

von Klaus Tropf ✝︎

 

Der leider viel zu früh verstorbene St. Leoner Heimatforscher Klaus Tropf recherchierte und berichtete in den Gemeindenachrichten St. Leon-Rot vom 04. Dezember 1987 über die „Lourdesgrotte“ im Friedhof von St. Leon.

Im Rahmen unserer Rubrik „Kleindenkmale“ geben wir hier den Bericht wieder:

Die Lourdesgrotte auf dem Friedhof von St. Leon; Foto: Franz Stoll

 

„Die Lourdesgrotte in St. Leon – ein Beitrag zum Fest Mariä Empfängnis am 08. Dezember.“

Jedem Besucher des St. Leoner Friedhofes wird schon einmal die „Grotte“ aufgefallen sein, die dort an zentraler Stelle errichtet ist und bereits durch die Bauausführung wie auch das verwendete Baumaterial die Aufmerksamkeit der Vorübergehenden auf sich zieht. Bei näherem Hinsehen entdeckt man rechts eine Steintafel, auf der folgender Text zur Entstehungsgeschichte der Grotte angebracht ist:

 

„Zu Ehren der Muttergottes von Lourdes
gestiftet von Johann Weis und seiner Ehefrau
Maria Josepha geb. Ditter – erstellt 1911
Besucher der Grotte werden gebeten
ein Vater unser und Ave Maria zu beten für die Stifter
(fec. Conrad Keller Wiesloch [i])

 

Lourdesgrotten dieser Art fanden als Nachahmung der Erscheinugsgrotte von Lourdes (Südfrankreich) eine große Verbreitung auch in Deutschland. Sie waren und sind als Gegenstand privater Frömmigkeit sehr beliebt. Dargestellt wird in diesen Grotten regelmäßig das Erscheinungsgeschehen, wie es von dem Mädchen Bernadette Subirous nach ihrer Vision im Jahre 1858 beschrieben wurde.

Anmerkung der Redaktion:
Im Volksmund bezeichneten die St. Leoner früher die „Lourdesgrotte“ auch als „Loretokapelle“. Der Name kommt von dem italienischen Wallfahrtsort Loreto bei Ancona.
Die Legende von Loreto spricht von einem Haus, in dem die Gottesmutter Maria in Nazareth lebte, und die nach legendärer Überlieferung im Jahr 1291/94 von Nazareth, in Teile zerlegt mit dem Schiff nach Loreto transportiert worden sein soll. Die Überlieferung spricht von einem in den Felsen gehauene Grotte, ein einfaches Steinhaus ohne Fundament.

Die Lourdes-Madonna ist dargestellt im sogenannten „Immaculata-Typus“, d.h. als unbefleckte Empfängnis. Damit wird erinnert an die Worte „ich bin die unbefleckte Empfängnis“, mit denen sie Bernadette ihren Namen preisgab. Für die Lourdesmadonna, wie wir sie auch in der St. Leoner Grotte finden, sind weiterhin typisch: Die gefalteten Hände, der himmelwärts gerichtete Blick, der lang herunterhängende Rosenkranz am rechten Unterarm und die blau-weiße Farbgebung. Das Seherkind Bernadette selbst, im Alter von 14 Jahren, sieht man links auf der Erde knien und zu der „vornehmen Dame im blauen Gewand“ aufschauen.

Weshalb es zu der großherzigen Stiftung der Eheleute Johann und Josepha Weis kam, hatte anscheinend ganz persönliche Gründe, wie die Überlieferung zu berichten weiß:

Johann Weis kam nach einem 12-jährigen Dienst in der damaligen Reichswehr in die zivile Staatsverwaltung und avancierte bald zum Rentmeister (Steuereinnehmer bzw. Finanzbeamter). Als solcher wohnte er in Haßmersheim (am Neckar) und seine Frau war von Rülzheim (Pfalz). Sie waren jung verheiratet und wünschten sich nichts so sehr als ein Kind. Die Frau wurde auch bald darauf schwanger und begab sich zur Geburt in ein Hospital. Als das Kind jedoch zur Welt kam, war es bereits tot.

Zur gleichen Zeit hatte im selben Hospital eine Frau einem Jungen das Leben geschenkt. Diese wollte oder konnte ihr Kind nicht annehmen und bot es Frau Weis an. Diese nahm den Knaben mit Freude an sich und zog ihn auf, als ob es ihr eigenes Kind gewesen wäre. Ihrem Mann erzählte sie nichts von dem vorgenommenen Kindstausch und auch sonst wusste niemand etwas davon. Als der Knabe jedoch heranwuchs, schlug er immer mehr aus der Art, fiel der Umgebung meist unangenehm auf, sodass die Eltern keine große Freude an ihm haben konnten.

Erst als Johann Weis auf dem Sterbebett lag, konnte seine Frau das Geheimnis um die Herkunft ihres Sohnes, welches ihr schon längst eine drückende Last geworden war,  nicht mehr für sich behalten und erzählte ihrem Mann alles. In seinem letzten Vermächtnis gab dieser seiner Frau noch auf, auf dem Friedhof in St. Leon eine Lourdesgrotte erstellen zu lassen. Diese Weihestätte für die Gottesmutter sollte zu einem Zeichen der Sühne werden zwischen ihm und seiner Frau und zwischen allen Menschen, die daran vorbeigehen.

Die Grotte wurde von der Wieslocher Firma Conrad Keller errichtet. Die hierzu verwendeten Tuffsteine wurden eigens aus Schweden eingeführt, der Transport erfolgte per Schiff rheinaufwärts.

Der Sohn der Eheleute Weis wurde im Jahre 1914 zum Kriegsdienst eingezogen, seitdem ist jede Spur von ihm verlorengegangen.

Die Lourdesgrotte wird heute immer noch mit frischem Blumenschmuck versehen und Votivtafeln zeugen davon, dass die Bitten von Gläubigen an dieser Stelle von Maria erhört wurden.

Zum Schluss des Beitrages erwähnt Klaus Tropf, dass die Geschichte um die Entstehung der Grotte auf Grund von Aufzeichnungen von Franziska Weis (Gasthaus zum Lamm) gefertigt wurde.

 
 
[i] (fec= Fertiger/Erbauer).
Conrad Keller (* 3. Mai 1879 in Krauchenwies; † 16. April 1948) war ein deutscher Bildhauer. Als sein Hauptwerk gelten die beiden etwa 1903 entstandenen Monumentalfiguren am Portal der Universitätsbibliothek Heidelberg. Er wirkte danach an der Stadterweiterung von Wiesloch und am Bau der Heil- und Pflegeanstalt Wiesloch mit, später fertigte er insbesondere sakrale Arbeiten wie Grabsteine, Wegkreuze. und auch die Grotte im Friedhof St. Leon.

bearbeitet von Franz Stoll und Willi Steger