Eine „Mottenburg“ in St. Leon
Burganlage an der ehemaligen Römerstraße entlang des Kraichbachs Stettfeld-Langenbrücken–Kislau-St.Leon-Wersau.
Seit Jahrzehnten suchen Historiker, Archäologen, und Heimatforscher nach dem Standort der „abgegangenen und in historischen Protokollen mehrfach erwähnten Burg“ in St .Leon.
Vielfach wurde angenommen, dass der Standort am Kraichbach bei der Mühle oder in den Weihergärten zu finden sei. Die Vermutungen konnten jedoch nicht erhärtet werden. Sicher ist jedenfalls, dass im Bereich Kraichbach/Kehrgraben eine Burg oder eine ähnliche Anlage stand, die durch die Ministerialen (Verwalter und Soldaten für Königsgüter und Klöster, später auch für den Adel) im 11.-13. Jh. erbaut, bewirtschaftet und bewohnt wurde.
Neueste Erkenntnisse des Verfassers lassen darauf schließen, dass im Gewann „Stegwiesen“ (Roter Weg Richtung Rot links – zwischen Kraichbach und Kehrgraben) eine „Mottenburg“ stand.
Der Begriff Motte leitet sich aus dem frühlateinischen Wort motta bzw. mota (frz. motte) ab, was ursprünglich Erdscholle/Erdklumpen bedeutet. In der Ortsnamens-kunde erscheint der Begriff ab dem 10. Jahrhundert.
Man kann sich die Befestigungen der frühen Phase als kleine hölzerne, eingemottete Niederungsburgen mit Wassergräben und Palisaden vorstellen.
Die „Motten“ galten auch als Machtsymbol des neu entstandenen niederen Dienst-adels. Flachlandmotten waren meist von schützenden Wassergräben umgeben. Der Aushub diente zur Aufschüttung des Hügels und eines Walles. Der Zugang zur Motte konnte nur über „Steege“ erreicht werden. Möglicherweise leitete sich hiervon dann der Flurname „Stegwiesen“ ab? (Anmerkung d. Verf.)
„Es ist Brauch der Reichen und der Edelleute, .. einen möglichst hohen Erdhügel aufzuwerfen, ihn an seinem Fuße mit einem breiten und tiefen Graben zu umziehen und an seinem inneren Rande eine mauerartige starke Palisadenwand zu errichten und zwar womöglich mit Türmen. In der Mitte … oben auf dem Hügel, erbauen sie dann ein Haus oder einen Turm, zu dessen Pforte man nicht anders als auf einer Brücke gelangen kann, die am äußeren Grabenrande beginnend, den Graben überschreitet.“
Zitat aus: http.//wikipedia/wiki/Motte
Burgenstandorte entlang des Kraichbachs
Burgenstandorte finden sich entlang des Kraichbachs in Münzesheim, Öwisheim (Ober-/Unteröwisheim), Ubstadt, Weiher, Kislau, St. Leon und Wersau. Kunze: “ … eine Kette von Mottenburgen mit Edelfreien als Erbauer und Besitzer entsteht auf Reichsland.“
Auch Ludwig H. Hildebrandt schreibt im Heimatbuch von St. Leon-Rot (Ausgabe von 2004) Seite 69, dass der Bischof von Speyer bereits nach der Schenkung der „Lußhardt“ im Jahr 1056 durch Kaiser Heinrich III. begann, das unerschlossene Gebiet mit kleinen, randlichen Befestigungen in Besitz zu nehmen.
Standort Stegwiesen
Der aufmerksame Leser unserer beiden Heimatbücher von St. Leon-Rot – damals und heute – Ausgabe von 1984 Seite 144 und Ausgabe 2004 Seite 182 (Gemarkungsplan von St. Leon von 1876) erkennt im Gewann Stegwiesen (Steegwiesen) im rechten oberen Teil ein rechteckiges Quadrat mit eingezeichneter Wegführung zum Ort St. Leon.
Der Hinweis von Rainer Kunze in dessen Aufsatz „Burgen im Bruhrain“ in den Mannheimer Geschichtsblätter (MGBl) von 2003 und 2004 (Verlag Regionalkultur Ubstadt-Weiher) brachte den Verfasser aufgrund der eingehenden Betrachtung des ausge-wiesenen Rechteckes im Gewann Stegwiesen auf einen im frühen Mittelalter übli-chen Standort einer Mottenburg im Flachland.
Kunze beschreibt das Rechteck mit „ca. 80 x 170 Meter, von dem aus noch Bodenwellen und ein erkennbarer Weg zum Mühlgraben und Dorf führen. Beide Langseiten des Rechtecks, bei dem es sich um den Grundriss des ehemaligen Burggeländes handeln dürfte, sind von Wegen begleitet. Weiter führt Kunze aus, „dass schon wegen der Ausmaße der Anlage ein Standort in den Weihergärten nicht in Frage komme“.
Mit ähnlichen Grundmaßen: Die Motte von Lebach/Saarland
Die oben skizzierte grafische Darstellung einer Flachburganlage oder Motte (hier: die Motte von Lebach/Saarland) ist in den Grundmaßen fast identisch wie die einge-zeichnete Fläche in den „Stegwiesen“ in St. Leon nämlich ca. 80 x 150 Meter.
Umgeben von einem mit Wasser gefüllten Wallgraben von 3 m Tiefe, befinden sich ein Schloss oder Herrenhaus und ein landwirtschaftlicher Teil mit Gesindehaus, Stallungen und Schmiede. Der Eingang zur Motte führt über eine Zugbrücke (vielleicht auch Steg/Steeg) durch ein Tor in die Anlage.
Motte in St.Leon – ein Hofgut
Betrachtet man entlang des Kraichbachs bzw. der Kraichbachniederung die dama-ligen Burgen, stellt man fest, dass sie hauptsächlich der Verteidigung dienten (z.B. Kislau, Wersau) Diese befestigten Burgen lagen auch an den ehemaligen Römer-straßen.
Dagegen hat die Burg oder Motte in St. Leon auch der landwirtschaftlichen Nut-zung des zugehörigen Grundbesitzes gedient. Flachburganlagen waren deshalb meist auch von „Hofgütern“ umgeben.
Aus der Ortsgeschichte von St. Leon kennen wir die häufige Nennung von „Hofgütern“, „Höfen“ und „Grangien“ (Wirtschaftshof/Herrenhof).
Hans-Peter Post und Klaus Tropf listen in ihrem 1980 herausgegebenen Büchlein „St. Leon – ein Bilderbogen aus alter Zeit“, Hrsg. Sparkasse Wiesloch – St. Leon in der Zeittafel folgendes auf:
- 1157 … verlehnte Höfe von St .Leon und Brühl
- 1177 … die Grangie von St. Leon
- 1289 … Weistum über das Gut … in St. Leon
- 1364 … der hoff der vor der burge litt zu sante lene
- 1403. … das Kloster Maulbronn verzichtet auf seinen Hof in St. Leon
Weitere Hinweise auf Höfe und Grangien in St. Leon finden sich im Regestenverzeichnis auf Seite 594 ff. im Heimatbuch St. Leon-Rot 2004.
Im Gemeindearchiv St. Leon-Rot von 1742 – Akte 142 – erfahren wir von einem „Kuntzheimer Hofgut“ mit 77 Morgen Äcker und 8 Morgen Wiesen und ein „Rußheimer Hofgut“ mit 143 Morgen Äcker und 6 Morgen Wiesen.
„Beide Güter hat die Gemeinde St. Leon seit unerdenklichen Zeiten in Erbbestand“.
Auf Grund der vorgenannten Daten und Fakten ist sicherlich denkbar, dass eine landwirtschaftlich genutzte Flachburganlage, eine so genannte „Motte“, mit den Ausmaßen 80 x 170 Meter vorhanden war, die von der Größenordnung her nicht in die „Weihergärten“ passte. Dort in der Nähe der heutigen Brücke über den Kraichbach bei der Mühle stand nichts anderes als der uns bekannte „kurpfälzische Zollturm“.
Es ist davon auszugehen, dass nach einigen Zerstörungen der Flachburganlage im ausgehenden 13. Jahrhundert nicht nur in St. Leon, sondern auch die übrigen Flachburgenanlagen in der Rheinebene aufgegeben wurden. Die Adelsfamilien bauten sich entweder größere und besser befestigte Burganlagen, oder es kann auch politische Gründe gegeben haben, das Gebiet zu verlassen.
Autor: Willi Steger
Bildbearbeitung: Franz Stoll